Trauma verstehen – Eine ganzheitliche Perspektive
Trauma ist ein Begriff, der oft missverstanden wird. Viele denken dabei an dramatische Ereignisse wie Unfälle, Gewalt oder Naturkatastrophen. Doch die moderne Traumaforschung zeigt, dass Trauma weit mehr ist als das.
Es umfasst nicht nur offensichtliche Verletzungen, sondern auch subtile, oft übersehene Erfahrungen, die insbesondere unser Nervensystem nachhaltig prägen.
Ein neues Verständnis von Trauma – und damit auch von unserer eigenen Verletzlichkeit – eröffnet uns die Möglichkeit, unsere Lebensgeschichte, unsere Verhaltensweisen und unsere Bedürfnisse besser zu verstehen. Es zeigt uns Wege auf, wie wir unser Leben bewusster und nach unseren inneren Bedürfnissen gestalten können.
Inhaltsverzeichnis
Was ist Trauma?
Trauma beschreibt die Unfähigkeit, eine überwältigende Situation vollständig zu verarbeiten oder zu integrieren. Es ist dabei nicht nur auf einzelne, dramatische Ereignisse beschränkt, sondern kann durch eine Vielzahl von Faktoren entstehen:
Anhaltende Stressfaktoren
Neurobiologische Prozesse
Kulturelle Unsicherheiten
Schwierige Lebensbedingungen
Herausfordernde Bindungserfahrungen
Wie die Forschung zeigt, speichert unser Körper belastenden Erlebnisse oft als implizite, non-verbale Erinnerungen. Diese können sich in Form von körperlichen Symptomen, emotionalen Spannungen und unbewussten Verhaltensmustern zeigen.
Nach Dr. Gabor Maté ist Trauma nicht das, was uns passiert, sondern vielmehr das, was im Inneren mit uns geschieht, wenn wir mit überwältigenden Erfahrungen konfrontiert werden. Ob und inwieweit eine Erfahrung traumatisch wirkt, hängt also von unserer Resilienz und unseren Ressourcen ab.
Die zwei Gesichter von Trauma: Großes T und kleines t
Trauma kann sich auf viele Arten zeigen und ist von Person zu Person unterschiedlich. Eine gängige Unterscheidung ist die zwischen "großem T" und "kleinem t".
Trauma mit großem T: Diese Kategorie umfasst einschneidende, dramatische Ereignisse wie Krieg, Gewalt oder schwere Unfälle.
Trauma mit kleinem t: Hierbei handelt es sich um subtilere Verletzungen wie emotionale Vernachlässigung, Beschämung, fehlende Bindungssicherheit oder wiederholte Demütigungen.
Besonders das "kleine t" Trauma wird oft übersehen und findet nach wie vor wenig Anerkennung, obwohl es tiefgreifende Auswirkungen auf unser Verhalten, unsere Beziehungen und unser Wohlbefinden haben kann.
Viele Menschen sprechen sich ihre eigene Verletztheit ab, weil sie ihnen im Vergleich zu Trauma mit großem T nicht wichtig oder tiefgreifend genug erscheint. Das macht es besonders herausfordernd, sich diesen subtileren Verletzungen zuzuwenden, die häufig dazu führen, dass wir uns von unserer inneren Stimme und unseren Bedürfnissen entfremden.
Wie sich Trauma in Deinem Alltag zeigt
Traumatische Erfahrungen prägen oft unbewusst unser tägliches Leben.
Vielleicht erkennst Du Dich in einigen der folgenden Punkte wieder:
◻️ Du fühlst Dich oft erschöpft und ausgelaugt und hast immer wieder körperliche Beschwerden.
◻️ Es fällt Dir schwer, Nein zu sagen, und Du neigst dazu, es allen recht machen zu wollen (People Pleasing).
◻️ Du funktionierst im Alltag mehr, als dass Du wirklich lebst, und fühlst Dich oft innerlich taub.
◻️ Du hast den Kontakt zu Deiner inneren Stimme verloren.
◻️ Das Gefühl von „nie genug“ begleitet Dich.
◻️ Du hast Schwierigkeiten, abzuschalten und zur Ruhe zu kommen.
◻️ Du reagierst schnell impulsiv und kannst Dich nur schwer regulieren.
◻️ (Beziehungs-)Muster wiederholen sich, und Du vermeidest Konflikte, um Erwartungen zu entsprechen.
◻️ Du spürst eine innere Leere trotz äußerem Erfolg.
Wenn Du Dich in einigen dieser Punkte wiedererkennst, bist Du nicht allein. Diese Muster sind keine Schwäche, sondern oft Überlebensstrategien, die in der Vergangenheit notwendig waren, um mit schwierigen Erfahrungen umzugehen.
Wie Trauma im Körper gespeichert wird
„Für meine Patienten empfehle ich immer, jemanden aufzusuchen, der ihnen hilft, ihren Körper wirklich zu fühlen, ihren Körper zu erleben und sich für ihren Körper zu öffnen.“ – Dr. Bessel van der Kolk
Trauma ist nicht nur eine psychische, sondern auch eine körperliche Erfahrung. Der Körper speichert traumatische Erinnerungen oft auf einer unbewussten, nicht-verbalen Ebene. Diese „Körpererinnerungen“ zeigen sich in Form von:
Chronischen Spannungen oder Schmerzen
Veränderungen in der Atmung oder im Herzschlag
Haltungs- und Bewegungsmustern
Überreaktionen auf Stress (Hypervigilanz) oder emotionaler Taubheit (Dissoziation)
Wie Peter Levine erklärt: „Traumatische Symptome entstehen nicht durch das auslösende Ereignis selbst. Sie entstehen aus den eingefrorenen Energieresten, die nicht aufgelöst oder entladen wurden; diese Reste bleiben im Nervensystem gefangen, wo sie großen Schaden anrichten können.“
Warum der Körper eine zentrale Rolle spielt
Trauma wird also im Nervensystem gespeichert, nicht nur im Gedächtnis. Viele traumatische Erfahrungen – insbesondere aus der frühen Kindheit – können wir nicht bewusst abrufen oder einordnen, weil sie zu einer Zeit entstanden sind, als wir Sprache und bewusste Erinnerungen noch nicht entwickeln konnten.
Deshalb sind traditionelle Gesprächstherapien zwar ein wertvoller Baustein, reichen aber ohne die körperliche Ebene meist nicht aus, um Trauma vollständig zu integrieren. Ein somatischer Ansatz, der den Körper aktiv in den Prozess einbezieht, bietet die Möglichkeit, diese tiefen, oft unbewussten Muster zu lösen.
Schritte zur Traumaintegration
Die Integration von Trauma ist also im besten Fall ein Prozess, der Körper, Geist und Seele umfasst. Es geht nicht nur darum, vergangene Ereignisse zu verstehen, sondern auch darum, die im Körper gespeicherten Reaktionen zu lösen und neue, sichere Muster zu etablieren.
Hier ist ein Überblick über somatische Ansätze, die Dich dabei unterstützen können:
1. Achtsamkeit und Atemarbeit
Achtsamkeit und bewusste Atmung sind essenzielle Werkzeuge, um das Nervensystem zu beruhigen und die Verbindung zwischen Körper und Geist wiederherzustellen. Atemtechniken aktivieren den Vagusnerv, der eine zentrale Rolle bei der Regulation des autonomen Nervensystems spielt.
2. Bewegung und Körperwahrnehmung
Bewegungstherapien wie Yoga, Tanz oder die Feldenkrais Methode helfen, eingefrorene Energien im Körper freizusetzen und die Selbstregulation zu fördern.
3. Polyvagal-Theorie
Die Polyvagal-Theorie von Dr. Stephen Porges bietet einen Rahmen, um die Zustände unseres Nervensystems zu verstehen und gezielt zu regulieren. Übungen wie Atemarbeit oder Co-Regulation durch sichere Beziehungen können helfen, sich aus dysfunktionalen Zuständen zu befreien.
4. EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing)
EMDR nutzt bilaterale Stimulation, um das Gehirn dabei zu unterstützen, traumatische Erinnerungen neu zu verarbeiten und ihre emotionale Ladung zu reduzieren. Es wird insbesondere mit Menschen mit PTSD erforscht und erfolgreich eingesetzt.
5. Somatic Experiencing (SE)
Entwickelt von Peter Levine, zielt SE darauf ab, die im Körper gespeicherte Energie sanft zu entladen und das Nervensystem neu zu regulieren.
Zusammenfassung: Trauma integrieren
Trauma zu integrieren bedeutet, sich selbst mit Mitgefühl zu begegnen und die Sprache des Körpers zu verstehen.
Es ist ein Prozess, der Zeit und Geduld erfordert, aber auch eine Chance bietet, Dich von alten Mustern zu befreien und Dein Leben aktiv und bewusst nach Deinen Wünschen und Bedürfnissen zu gestalten.
Wie Bessel van der Kolk sagt: „Der Körper vergisst nicht, aber er kann heilen.“
Indem wir lernen, auf die Botschaften unseres Körpers zu hören und ihn aktiv in den Transformationsprozess einzubeziehen, können wir lernen, nicht nur zu existieren und zu reagieren, sondern wirklich zu leben – frei von den Ketten der Vergangenheit.
Sei es durch somatisches Coaching, Achtsamkeitspraxis oder andere Formen der Begleitung – Du musst diesen Weg nicht allein gehen.
Wenn Du Dich in diesen Erklärungen wiedergefunden hast und das Gefühl hast, dass alte Verletzungen Dein Leben beeinflussen, lade ich Dich ein, Dir ein kostenloses und unverbindliches Erstgespräch mit mir zu buchen.